“All things are permitted for me,” but not all things are beneficial. “All things are permitted for me,” but I will not be dominated by anything.
1 Corinthians 6,12
PREDIGT ÜBER 1.KOR 6,12-20 (22.07.2018)
Wir haben einen besonderen Predigttext. Paulus schreibt an die Christen in Korinth über Sex und Prostitution. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Vieles, was in Korinth üblich war, verurteilt er. Aber er ist überhaupt nicht leibfeind- lich oder prüde. Paulus kennt seine Bibel: da gibt es die erotischen Liebeslie- der im Hohelied Salomos und viele schöne Liebesgeschichten, freilich auch Geschichten von sexueller Gewalt und Ehebruch, Eifersucht, usw. Nichts, was uns Menschen bewegt, ist Gott fremd. Darum geht es in der Bibel oft um das Thema Nr1. Sex ist so schön und birgt zugleich die Gefahr, dass wir einander wehtun und schaden. Paulus schreibt über Sex. Er schreibt als Jude, der von seiner Bibel geprägt ist, und er schreibt an Griechen, die ganz andere Vorstel- lungen haben. Und er schreibt vor fast 2000 Jahren. Wir sehen heute manches anders. Ich lese 1.Korinther 6,12-20 (Neue Genfer Übersetzung).
»Alles ist mir erlaubt!« Wer so redet, dem antworte ich: Aber nicht alles, was mir erlaubt ist, ist auch gut für mich und für andere. – »Alles ist mir er- laubt!« Aber es darf nicht dahin kommen, dass ich mich von irgendetwas be- herrschen lasse. Ihr sagt: »Das Essen ist für den Magen da und der Magen für das Essen, und dem einen wie dem anderen wird Gott ein Ende bereiten.« Ein- verstanden, aber das heißt noch lange nicht, dass wir mit unserem Körper ma- chen können, was wir wollen. Der Körper ist nicht für die Unmoral da, sondern für den Herrn, und der Herr ist für den Körper da und sorgt für ihn. Und ge- nauso, wie Gott den Herrn von den Toten auferweckt hat, wird er durch seine Macht auch uns vom Tod auferwecken und unseren Körper wieder lebendig machen. Wisst ihr nicht, dass ihr zum Leib Christi gehört und dass damit auch euer Körper ein Teil seines Leibes ist? Soll ich denn nun, indem ich mich mit ei- ner Prostituierten einlasse, Christus das wegnehmen, was einen Teil seines Lei- bes ausmacht, und es zu einem Teil ihres Leibes machen? Niemals! Überlegt doch einmal: Wer sich mit einer Prostituierten einlässt, wird mit ihr eins; sein Körper verbindet sich mit ihrem Körper. Es heißt ja in der Schrift: »Die zwei werden ein Leib sein.« Wer sich hingegen mit dem Herrn verbindet, wird eins mit ihm; sein Geist verbindet sich mit dem Geist des Herrn. Lasst euch unter keinen Umständen zu sexueller Unmoral verleiten! Was immer ein Mensch für Sünden begehen mag – bei keiner Sünde versündigt er sich so unmittelbar an seinem eigenen Körper wie bei sexueller Unmoral. Habt ihr denn vergessen, dass euer Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist? Der Geist, den Gott euch gegeben hat, wohnt in euch, und ihr gehört nicht mehr euch selbst. Gott hat euch als sein Eigentum erworben; denkt an den Preis, den er dafür gezahlt hat! Darum geht mit eurem Körper so um, dass es Gott Ehre macht!
Korinth ist eine große, bunte Hafenstadt. Am Tempel der Liebesgöttin Aphrodite arbeiten Hunderte von Tempeldirnen. Sex mit Sklavinnen und Sklaven ist nor- mal. Hier kann sich jeder nach Lust und Laune austoben. „Paulus, du hast doch gesagt: Uns ist alles erlaubt. Ja, diese Freiheit passt zu uns in Korinth.“ Moment mal! Konnte sich wirklich jeder austoben und vor allem jede Frau? Ich glaube nicht, dass die Sklaven und die Tempeldirnen diese Freiheit so toll fan- den. Sexuelle Unterdrückung war für Paulus kein Thema. Uns heute fällt auf, wie sehr er von den Vorstellungen seiner Zeit geprägt ist.
„Alles ist erlaubt“? – „Ja“, sagt Paulus, „aber nicht alles ist auch zuträglich.“ Die griechischen Christen in Korinth messen dem Körperlichen einfach keine Bedeu- tung bei. Der Leib ist für sie nur eine Hülle, mit der man tun kann, was man will. Griechen denken: „Was nur äußerlich geschieht, kann doch nicht schaden. Was ich esse, ob ich Sport treibe, ob ich Sex habe – das alles ist nur körperlich und der Körper wird zerfallen. Wichtig ist der Geist. Mein Leib ist bedeutungslos. Er ist eher ein Gefängnis für mein wahres Ich. Darum kann ich den Leib und alles Leibliche verachten. Was ich mit meinem Körper anstelle, auch Sex, berührt mich gar nicht wirklich.“ Darum meinen die Leute in Korinth auch: „Es spielt kei- ne Rolle, ob wir zu den Dirnen gehen. Das ist doch nur ein körperlicher Akt, wie Essen und Trinken.“
Hier prallen die Kulturen aufeinander. Hier muss der jüdisch denkende Paulus widersprechen: „Es ist nicht bedeutungslos, was wir mit unserem Körper ma- chen. Körper und Seele sind untrennbar eins. Sex ist kein seelenloses, äußerli- ches Tun. Leib und Geist und Seele sind eine Einheit.“
An diesem Punkt finde ich Paulus richtig gut und auch modern. Wir alle erfah- ren, wie eng unser seelisches und unser körperliches Befinden verbunden sind. Viele machen zum Beispiel Karate oder Yoga: Beide betonen, wie eng Körper und Seele aufeinander wirken. Sie können einander beflügeln oder auch läh- men. Wie wir atmen, essen, uns bewegen – was wir mit unserem Körper tun macht uns aus, auch als Person. Wir haben nicht nur einen Leib, wir sind Leib. Gott hat uns unseren Leib gegeben.
Paulus kann den Leib also nicht verachten oder gering schätzen. Und das umso weniger, als Gott in Jesus Mensch geworden ist, leibhaftig wie wir. Das bedeutet nun nicht, dass wir ins Gegenteil verfallen und einen Kult um der Körper treiben. Wir schätzen den Leib als Gabe von Gott und alles, was wir durch ihn genießen. Aber wir müssen nicht um jeden Preis gesund, sportlich und schön sein.
Auch hier gilt die Freiheit eines Christenmenschen: Wir sind von Gott angenom- men, gerechtfertigt, auch in unserem leiblichen Sein. Unseren Körper mit sei- nen Maßen und Möglichkeiten dürfen wir als Gabe von Gott genießen. Wir sol- len ihn nicht vernachlässigen oder schädigen, aber wir stehen auch körperlich nicht unter Leistungsdruck.
Darum achten wir Sexualität und Zärtlichkeit als wunderbare Gabe Gottes. Es ist etwas ganz Besonderes, dass wir einen Menschen zärtlich beschenken, verwöh- nen, annehmen und einander größte Nähe gewähren. Paulus erinnert an den Schöpfungsbericht: Die zwei werden ein Leib. Das ist für Paulus schön und kei- neswegs zu verachten.
Sex wurde in der Geschichte der Christen oft verteufelt. Sexuelle Lust wurde nur als Sünde betrachtet. Sünde ist die Gier, die nur haben und beherrschen will, den anderen gebraucht und keine wirkliche Nähe zulässt. Aber Sexualität, das Sich-einander-Schenken, Begehren und Lust, ist für Paulus gut und schön. Die Liebenden sind einander einmalig nahe. Sie werden eins. Sie werden ein Teil des anderen. Bert Brecht dichtete: „Der, den ich liebe, hat mir gesagt, dass er mich braucht. Darum gebe ich auf mich acht, sehe auf meinen Weg und fürchte von jedem Regentropfen, dass er mich erschlagen könnte.“ Die Liebenden brauchen einander. Sie sind einander unersetzlich, kostbar, und darum achten sie auch auf sich selbst.
Liebe verträgt keine Leichtfertigkeit und Unverbindlichkeit. Liebe braucht Treue, Hingabe, Ehrlichkeit und gegenseitige Achtung. Für Paulus steht unser Verhältnis zu Gott auf dem Spiel, wenn wir unseren Leib missbrauchen. Als Leib gehören wir uns nicht selbst. Als Leib sind wir in Bezie- hungen. Die Liebenden werden eins. Für Paulus ist das sogar ein Bild für unsere Beziehung zu Jesus Christus. Er redet von Zärtlichkeit, Begehren und Lust in ei- nem Atemzug mit der Einheit im Leib Christi: „unser Körper ist ein Teil des Lei- bes Christi“.
Daraus folgt für Paulus: „Ihr könnt nicht zu den Dirnen gehen und so tun, als berührte es euch nicht. Ihr irrt euch und ihr schadet euch. Wer sich mit einer Dirne einlässt, stört die Beziehung zu Christus.“
Ich würde noch allgemeiner sagen: „Ihr schadet euch selbst, wenn ihr Sex ohne Liebe und Treue habt, wenn ihr einander nicht wirklich nah sein wollt. Wer Sex ohne wirkliche Beziehung hat, verfehlt, was Gott uns schenkt. Er widerspricht der Liebe Gottes.“
„Habt ihr denn vergessen, dass euer Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist? Der Geist, den Gott euch gegeben hat, wohnt in euch, und ihr gehört nicht mehr euch selbst. Gott hat euch als sein Eigentum erworben; denkt an den Preis, den er dafür gezahlt hat! Darum geht mit eurem Körper so um, dass es Gott Ehre macht!“
Mit unserem Leib können wir Gott verherrlichen. Wunderbar: Unser Körper, so unvollkommen, verletzlich und hinfällig wie er ist, kann Gott preisen. Mit unse- rem Leib können wir Gott verherrlichen. Und zu unserem Leib gehört auch Zärt- lichkeit, Begehren, Lust. Sexualität ist eine wunderbare Gabe Gottes. Das Hohelied Salomos schwärmt: „Kein Wasser kann die Glut der Liebe löschen und keine Sturzflut schwemmt sie je hinweg. Wer meint, er könne solche Liebe kaufen, der ist ein Narr, er hat sie nie gekannt!“
Amen
Andreas Hansen